Diätrevolution des 21. Jahrhunderts

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Das rechts verlinkte Video "Sugar: The Bitter Truth" des amerikanischen Arztes Dr. Robert H. Lustig ist gerade dabei, die Welt ein bisschen besser zu machen. Es beinhaltet vor Allem eine simple aber wesentliche Erkenntnis, die zur Basis wirksamerer Diäten und besserer Ernährungsgewohnheiten werden könnte: "Eine Kalorie ist nicht gleich einer Kalorie".

Stark Übergewichtige (Adipositas Kranke) werden oft als faul und undiszipliniert abgestempelt. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass bei den Betroffenen die Unfähigkeit des Körpers, Kalorien ausreichend zu verarbeiten, u.a. auf eine Veränderung bei der Zusammensetzung unserer Lebensmittel zurückzuführen ist, die sich seit etwa 30 Jahren zunehmend verbreitet.

Es gibt jede Menge verschiedene Inhaltsstoffe, die unsere Speisen und Getränke süß machen (z.B. Zucker, Maissirup usw.). Alle haben gemeinsam, dass sie im Wesentlichen aus 2 Bestandteilen, nämlich Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker) bestehen. Beide Bestandteile gehören zu den Kohlenhydraten und liefern mit ca. 400 Kilokalorien pro 100 Gramm etwa gleich viel Energie, jedoch - und jetzt kommt der Haken - unterscheiden sie sich in der biochemischen Verarbeitung in unserem Körper (Quelle der folgenden Auflistung: Video: Sugar, the bitter truth):
  • Glucose Kalorien werden zu ca. 80% vom Körper direkt verwertet und nur zu ca. 20% gelangen sie in die Leber. Dort werden sie weiterverarbeitet, wodurch im Endeffekt nur weit unter 1% der Kalorien zu Körperfett werden.
  • Fructose Kalorien hingegen gelangen zu fast 100% in die Leber und dort werden etwa 30% zu Körperfett, vor allem Bauchfett verarbeitet (Videoquelle 1:04:23). Das bedeutet, dass dieses Fett zu einem Teil in inneren Organen, wie z.B. der Leber abgelagert wird. Dies kann bei dauerhaft hohem Fructose Konsum zur "Nicht-Alkoholischen Fettleber" und langfristig zur Zuckerkrankheit (Diabetes Typ 2) führen. 
  • Außerdem erhöht die Fructose die Harnsäurebildung und kann so indirekt auch zu Gicht und auch zu erhöhtem Blutdruck führen.
  • Damit noch nicht genug - dauerhaft hoher Fructosekonsum, steht im Verdacht zu Insulinresistenz zu führen, welche wiederum u.a. unser Sättigungsgefühl beeinflusst. Dadurch isst man mehr, da man das Gefühl hat, immer noch Hunger zu haben.
Zusammengefasst könnte man stark vereinfacht sagen: Fructose macht fett, stillt kaum den Hunger und kann zu einigen der häufigsten Zivilisationskrankheiten führen. Das ist keine neue Diätformel selbsternannter Gesundheitsgurus, sondern wissenschaftlich erwiesen und wird zumindest auch in Amerika, wo das Problem am größten ist, von den Gesundheitsbehörden zunehmend kritisch beurteilt. Leider sind künstlich hergestellte fructosehaltige Süßmittel u.a. billiger als normaler Zucker, weshalb sie von der Lebensmittelindustrie auch immer häufiger bevorzugt verwendet wird.

Worauf kann man achten?
Auf die Zutatenliste unserer Lebensmittel! Leider lässt die Auszeichnungspflicht noch viele Fragen offen. Wir sehen zwar, wie viel Kalorien ein Produkt hat, doch nur ungenau und indirekt welcher Art diese Kalorien sind. Isolierte Fructose (im Gegensatz zur gebundenen Fructose, siehe Haushaltszucker weiter unten) ist vor allem in folgenden Lebensmittelzutaten enthalten (Quelle der folgenden Auflistung: Zuckerverordnung Österreich)
  • Glucosesirup
    besteht aus Glucose mit bis zu 5% Fructose Anteil
  • Glucose-Fructosesirup
    besteht aus Glucose mit bis zu 49% Fructose Anteil
  • Fructose-Glucosesirup
    besteht aus Fructose mit bis zu 49% Glucose Anteil
  • Fructosesirup
    besteht aus Fructose mit bis zu 5% Glucose Anteil
  • Fructose
    besteht aus einem mind. 98% Fructose Anteil
  • Invertzucker
    besteht aus Glucose und isolierter Fructose mit je 50% Anteil
  • Maissirup
    besteht aus mind. 5% Fructose Anteil
Solche isolierte Fructose ist darüber hinaus noch in vielen weiteren Inhaltsstoffen zu finden. Gute Übersichten, in welchen Inhaltsstoffe Fructose noch steckt, findet sich bei www.frusano.de oder auch bei www.fuerstentor-apotheke.eu.


Thema Haushaltszucker - Experten uneinig
Unser normaler weißer Haushaltszucker (Saccharose) besteht ebenfalls zu 50% aus Glucose und zu 50% aus Fructose, wobei diese Fructose jedoch chemisch an die Glucose gebunden ist, also nicht isoliert ist. Auf Grund dieser Unterscheidung  sind die oben beschriebenen, negativen Auswirkungen nach Ansicht einiger Experten nicht im selben Ausmaß vorhanden, wie bei der künstlich hergestellten, isolierten Fructose. Siehe hierzu das Video "Der heimliche Dickmacher: Fructose" - RBB Praxis, 3:48  Minuten.

Haushaltszucker ist dennoch ebenfalls nicht ungefährlich und sollte auf keinen Fall maßlos verwendet werden! Der Arzt Dr. Robert H. Lustig unterscheidet in seinem o.g. Video übrigens nicht zwischen isolierter und gebundener Fructose, also HFCS (Fructose-Glucose-Sirup) und Zucker. Er hält beides für gleich gefährlich! Dies geht aus seinem Beispiel "Biochemie in der Leber, Teil 3" hervor.

Meine eigene Meinung
Ich persönlich finde beim Thema Haushaltszucker jedoch die Studie der Experten des "Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam - Rehbrücke" aus dem u.g. RBB Video bemerkenswert. Die Quintessenz lautet deshalb für mich "Zucker reduzieren, isolierte Fructose vermeiden". Dafür spricht aus meiner Sicht auch, dass in den USA, dem Land mit dem höchsten Verbrauch isolierter Fructose, auch die meisten Fälle von Adipositas auftreten.

Auch wenn die Forschung und Meinungsbildung bei diesem Thema noch im Gange ist, scheint es mir, als wäre eine wesentliche Ursache für die "Verfettung der Gesellschaft" und die zunehmende Anzahl der Adipositas Erkrankungen nun gefunden. Es ist jetzt an der Politik für bessere Auszeichnungspflichten zu sorgen und an uns Konsumenten, vermehrt auf den Fructoseanteil unserer Lebensmittel zu achten. Die Lebensmittelindustrie wird dann von selbst sehr schnell umschwenken und bessere Produkte herstellen. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich den ersten Joghurt, bzw. das erste Speiseeis mit der Aufschrift "Ohne isolierte Fructose" im Kühlregal finde.

Weiterführende Filmbeiträge
Das o.g. amerikanische Video von Dr. Lustig "Zucker, die bittere Wahrheit" wirkt durch seine sehr guten sachlichen und gleichzeitig witzigen Erklärungen sehr überzeugend. Wer einigermaßen englisch kann, sollte sich die spannenden 90 Minuten nicht entgehen lassen. Tipp: Man kann bei Youtube auch englische Untertitel einblenden lassen.
Deutsche Videos gibt es mittlerweile auch diverse - es werden zum Glück immer mehr. Hier nur eine kleine Auswahl:
Quellen
Die in diesem Artikel gemachten biochemischen Aussagen basieren auf den genannten Videoquellen, sowie der Titelstory "Droge Zucker" des Spiegel Magazins Nr. 36/3.9.12 und geben die Aussagen der dozierenden Experten wieder. Meine eigene Meinung ist im Text gekennzeichnet. Ein sehr gute deutsche Übersetzung / Zusammenfassung des Vortrages "Zucker, die bittere Wahrheit" von Dr. Lustig gibt es bei www.paleosophie.de.


Nachtrag 1 - Fructose in Früchten
Was ist mit der in Früchten enthaltener Fructose? Um diese Frage sinngemäß mit den Worten von Dr. Lustig zu beantworten: "Gott hat das schlimmste Gift mit dem wirksamsten Gegengift ausgestattet", womit er die in Früchten enthaltenen Ballaststoffe meint. Diese verringern die Aufnahme von Kohlenhydraten schon im Darm, man wird früher satt und sie fördern die Insulin-Empfindlichkeit. Darum ist es wichtig Früchte nicht übermäßig in Saftform zu sich zu nehmen. Überlegt vor allem selbst einmal: Wer kann schon 5 Äpfel essen? In Saftform bekommt man sie jedoch relativ einfach herunter und zwar leider die ganze Fructose, jedoch ohne die Ballaststoffe.


Nachtrag 2 - Statt Fructose Lightprodukte
Ganz zum Schluss muss ich leider noch "ein Fass aufmachen". Wer glaubt durch den Verzehr von Lightprodukten dem Fructose Problem zu entgehen, handelt sich dafür unter Umständen ganz andere Schwierigkeiten ein, wie die Arte Dokumentation "Aspartam - unser täglich Gift"aufzeigt. Ich persönlich setze bei den Lightprodukten  daher meine Hoffnung auf die schnelle Verbreitung von Stewiaprodukten. Bis es soweit ist, ziehe ich (wenn es denn sein muss) zuckerhaltige Produkte solchen vor, die isolierte Fructose oder Aspartam beinhalten.


Nachtrag 3 - ARTE Dokumentation online



Videoquellen: youtube.com